Emmy Frisch im Schaukelstuhl
Ernst Ludwig Kirchner
Beschreibung
Mit der Dargestellten und ihrem Bruder Hans, die Kirchner seit Chemnitzer Jugendtagen kannte, war er 1908 erstmals nach Fehmarn gereist. Im selben Jahr malte er Emmy in engem Hochformat mit übereinandergeschlagenen Beinen, nach vorn gerückt im Schaukelstuhl sitzend. Sie blickt regungslos am Betrachter vorbei und wirkt nachdenklich, in sich gekehrt, beinah schwach. Den Arm, in dessen Hand sie eine Zigarette hält, stützt sie mit der linken Hand. Der linke Arm ist eng an den Körper gedrückt. Im Widerspruch zu dieser introvertierten Erscheinung stehen die malerischen Mittel, mit denen Kirchner das Porträt gestaltete. Im Mai hatte er im Dresdner Kunstsalon von Emil Richter eine Van-Gogh-Ausstellung gesehen, im Jahr zuvor ebenda Werke von Gustav Klimt. Unter diesen Eindrücken arbeitete er nun für kurze Zeit mit leuchtenden Farben und pastosem Farbauftrag. Mit kreisenden Pinselzügen, zwischen denen die Leinwandgrundierung sichtbar ist, gestaltete Kirchner Emmys Kleid, dessen von Blau- und Rosatönen dominierter Stoff beinah greifbar wird. Das Muster der Rückenlehne des Schaukelstuhls ist im Gegensatz dazu in Rot- und Gelbgrüntönen glatter gemalt und erinnert an die farbintensive Ornamentik der Fauves.
Später distanzierte sich Kirchner von seiner Jugendfreundin und stellte fest, sie wäre gänzlich ungeeignet zu einer Gefährtin seines Lebens. Emmy Frisch heiratete schließlich Kirchners Brücke-Kollegen Karl Schmidt-Rottluff.
Audio
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Provenienz
1908-unbekannt Ernst Ludwig Kirchner
vor 1933-spätestens 1947 Heinz Braune
1947 Galerie Günther Franke, München (gekauft von Heinz Braune)
1947-Juni 1955 Staatsgalerie Stuttgart (erworben von Galerie Günther Franke)
Juni 1955- 5. Mai 1956 Galerie Abels, Köln
seit 5. Mai Museen für Kunst und Kulturgeschichte der Hansestadt Lübeck
Ernst Ludwig Kirchner wurde 1937 als "entartet" diffamiert und wählte ein Jahr später den Freitod. Laut Aussage der Kunsthandlung Aenne Abels befand sich das Gemälde vor 1933 jahrelang als Dauerleihgabe in der Staatsgalerie Stuttgart. 1947 kaufte die Galerie das Gemälde endgültig für ihre Sammlung. Wahrscheinlich bedingt durch den Direktorenwechsel änderte sie ihre Meinung und tauschte das Portrait mit der Galerie Abels, welche es wiederum den Museen für Kunst und Kulturgeschichte der Hansestadt Lübeck zum Kauf anbot. Da das Bildnis der Emmy Frisch in der Zeit von 1933-1945 offensichtlich nicht den Besitzer wechselte und die Besitzerkette endgültig gekläret ist, kann es als unbedenklich eingestuft werden.