Bildnis Dr. Max Linde
Max Liebermann
Beschreibung
Als der aus Lübeck stammende Arzt Dr. Max Linde (1862–1940) sich von Max Liebermann porträtieren ließ, hatte er bereits einige von dessen damals noch umstrittenen Bildern erworben. Anfang 1897 besaß er schon vier Gemälde des oppositionellen Malers. Im selben Jahr nach Lübeck zurückgekehrt intensivierte Linde seine Sammeltätigkeit (ab 1902 vor allem mit Werken von Edvard Munch), mit der er eine der bedeutendsten Privatsammlungen moderner Kunst im deutschen Kaiserreich hervorbrachte. Fasziniert verfolgte Liebermann, der Linde noch in Berlin kennengelernt hatte, wie dieser die internationale Moderne in seinem geschmackvollen Haus an der Ratzeburger Allee heimisch machte.
Die Idee für ein Porträt des Sammlers aus der Hand Liebermanns war im Frühjahr 1897 entstanden. Die ersten Studien machte Liebermann im Mai 1897 in Lübeck. Für die Weiterarbeit in seinem Berliner Atelier benutzte er auch Fotografien. Anfang Juli traf das vollendete Gemälde in Lübeck ein. Dieser Auftrag prägte Liebermanns Entwicklung als Porträtmaler entscheidend. Mit ihm begründete er einen eigenen Porträttypus, der ganz auf der Konzentration auf den Menschen beruhte, ohne Hinweise über dessen Profession oder Status zu geben. Die entspannte Positionierung des Dargestellten auf einem Armlehnstuhl vor neutralem Hintergrund sollte vor allem das Gesicht und die Haltung des Körpers wie in einer Momentaufnahme zur Geltung bringen und das Temperament des Dargestellten wiedergeben.
Provenienz
1897 Max Liebermann, Berlin
1897 - mindestens 1914 Dr. Max Linde, Lübeck, Auftragsarbeit von Max Liebermann
unbekannt - 3/4 März 1925 Kommerzienrat Karl Willhelm Zitzmann, Erlangen
3/4. März 1925 Kunstsalon Paul Cassirer/Hugo Helbing, Inh. Hugo Helbing, München und Paul Cassirer, Berlin, eingeliefert von Karl Wilhelm Zitzmann, Erlangen
spätestens Oktober 1956 - 14. November 1956 Kunsthaus Math. Lempertz, Inh. Josef Hanstein, Köln
seit 14. November 1956 Museen für Kunst und Kulturgeschichte der Hansestadt Lübeck, geschenkt von der Kaufmannschaft zu Lübeck, angekauft von dem Kunsthaus Math. Lempertz, Köln
Karl Willhelm Zitzman ist bislang der letzte bekannte Eigentümer, bevor das Gemälde von den Museen für Kunst und Kulturgeschichte der Hansestadt Lübeck erworben wurde. Der Generaldirektor eines Industrieunternehmens legte eine Kunstsammlung an und spendete für wohltätige Zwecke. Wegen eines Veruntreuungsprozesses und des Ruins seiner Firma musste Zitzmann zahlreiche Stücke seiner Kunstsammlung verkaufen. Er beauftragte dafür 1924 bis 1925 das Auktionshaus Paul Cassirer in Berlin, unter der Betitelung "Sammlung eines Süddeutschen Kunstfreundes". 1930 endete der Prozess. Erst 1956 trat das Gemälde im Kunsthandel wieder in Erscheinung und zwar im Kunsthaus Lempertz in Köln. Dort erwarb die Kaufmanschaft zu Lübeck das Portrait. Diese schenkte es wiederum den Museen für Kunst und Kulturgeschichte der Hansestadt Lübeck. Gerade in der fraglichen Zeit von 1933 bis 1945 ist bislang nicht bekannt, wo sich das Gemälde befand. Ein Verdacht auf NS-verfolgungsbedingten Entzug kann nicht ausgeschlossen werden.